Das AktivA-Training wurde an der TU Dresden im Rahmen einer Diplomarbeit von Dipl.-Psych. Katrin Rothländer entwickelt. Der Bedarf eines Gesundheitsförderungsprogramms für Erwerbslose wurde bereits in mehreren Studien aufgezeigt. Das AktivA-Training dient dazu, diesen Bedarf zu decken. Die Wirksamkeit der Trainings wurde in einer Evaluationsstudie nachgewiesen.
Vielfach ist inzwischen nachgewiesen worden, dass erwerbslose Menschen einen schlechteren Gesundheitszustand als Erwerbstätige aufweisen. Dies betrifft zum einen objektive medizinische Kriterien, zum anderen das subjektive Erleben von Gesundheit.
Entsprechend einer Auswertung gesundheitsbezogener Daten der deutschen Arbeitslosenstatistik (Hollederer, 2003) liegen bei fast einem Drittel der Langzeitarbeitslosen gesundheitliche Probleme oder Behinderungen vor. Nach einer Berechnung von Hollederer (2010) auf Basis von Daten aus dem Mikrozensus 2005 (N=35.425) weisen Arbeitssuchende Personen wesentlich höhere Krankenstände auf als Erwerbstätige, wobei der Unterschied in mittleren bis höheren Altersgruppen besonders stark ausfällt (siehe Grafik):
Quelle: Hollederer (2010).
Dabei können gesundheitliche Beeinträchtigungen sowohl Ursache als auch Wirkung von Erwerbslosigkeit sein. Wie Paul, Hassel und Moser (2006) im Hinblick auf die psychische Gesundheit zeigen, fällt letzterer Zusammenhang stärker aus. Somit ist die Erwerbslosigkeit selbst ein wesentlicher Risikofaktor für die Gesundheit. Trotz der Häufung gesundheitlicher Risiken werden herkömmliche Angebote zur Prävention und Gesundheitsförderung von Erwerbslosen nur vermindert wahrgenommen, zumal der Betrieb als Setting für Gesundheitsförderung hier entfällt. Um diese Lücke zu schließen, ist an der TU Dresden das Gesundheitsförderungsprogramm „Aktive Bewältigung von Arbeitslosigkeit“ (AktivA) (Rothländer, 2002, 2007) entwickelt worden. Mittlerweile existieren zahlreiche Modelle, welche den Einfluss von Erwerbslosigkeit auf den Gesundheitszustand beschreiben. Eine adaptierte Version des Modells von Mackenbach (2006) zu den Mediatoren von sozioökonomischem Status und Gesundheit stellt sich wie folgt dar:
Quelle: Mackenbach (2006).
Demnach nimmt der sozioökonomische Status, welcher durch Langzeiterwerbslosigkeit entscheidend beeinträchtigt wird, einen starken indirekten Einfluss auf die allgemeine Gesundheit. Vermittelnd sind etwa materielle Faktoren, welche sich vor allem in Form von mangelnden finanziellen Möglichkeiten auswirken. Dieser Umstand erschwert den Zugang zu gesundheitsförderlichen Aktivitäten und Ressourcen und wirkt sich auf psychosoziale Faktoren aus. So erleben Personen mit niedrigem sozioökonomischen Status im Durchschnitt mehr psychosozialen Stress, verursacht beispielsweise durch finanzielle Sorgen oder negative Lebensereignisse bzw. –umstände allgemein. Neben direkten gesundheitlichen Auswirkungen kann psychosozialer Stress als Resultat der genannten Faktoren ebenfalls eine schädigende Wirkung auf das gesundheitsbezogene Verhalten eines Menschen nehmen. So sind Risikoverhaltensweisen wie exzessiver Tabak- oder Alkoholkonsum oder auch Bewegungsmangel zu nennen, welche sich ebenfalls stärker in niedrigeren sozioökonomischen Schichten auswirken. Erwerbslose sind in diesen gesundheitlichen Belangen also unmittelbar betroffen.
Zahlreiche Forschungsergebnisse bestätigen den gern zitierten „Teufelskreis“ der Erwerbslosigkeit: Verlust von Tagesstruktur, erlebter Sinnhaftigkeit, Selbstwert, sozialen Kontakten, Herausforderungen, Antrieb und nicht zuletzt finanziellen Ressourcen machen krank. Soziale Isolation, Angst und Resignation sind die Folge, meist verbunden mit Existenzsorgen und düsteren Zukunftsaussichten. Diese Probleme manifestieren sich dann wiederum im Sozialleben und im Lebensstil bzw. Gesundheitsverhalten und beschleunigen den „Teufelskreis“. All dies führt zur Zunahme körperlicher und psychischer Beschwerden.
Für Betroffene besonders verheerend ist der nun einsetzende Selektionseffekt: Gesundheitliche Einschränkungen, verursacht oder zumindest verstärkt durch die Erwerbslosigkeit, senken die Beschäftigungsfähigkeit und erschweren Arbeitssuche und Vermittlung. So wird es mit steigender Dauer der Arbeitslosigkeit immer schwieriger und letztendlich unwahrscheinlicher, wieder in den Arbeitsmarkt zurückzukehren. Rund 50% aller Langzeiterwerbslosen weisen vermittlungsrelevante gesundheitliche Einschränkungen auf (Deutsches Ärzteblatt, 2007). Aber das Modell zeigt auch klar, worin die Chance besteht, aus diesem Teufelskreis auszubrechen: Durch eine Verbesserung des Gesundheitszustandes und der damit verbundenen Zunahme der Beschäftigungsfähigkeit erhöht sich die Chance, wieder Arbeit zu finden – und damit wieder in gesundheitserhaltende Verhaltens-, Beziehungs- und Rollenmuster zurückzukehren.
Das AktivA-Training setzt an eben jenen Wirkmechanismen an. Die im Trainingsverlauf eingebrachten Bausteine Aktivitätenplanung, konstruktives Denken, soziale Kompetenz und soziale Unterstützung systematisches Problemlösen setzen gleichermaßen an psychosozialen Faktoren wie an Faktoren des Verhaltens an. Somit werden Voraussetzungen geschaffen, ungünstigen Faktoren auf materieller und soziökonomischer Seite entgegenzuwirken. Auf diesem Wege kann es gelingen, Gesundheit und Aktivität der Teilnehmenden nachhaltig zu verbessern – und somit den Ausgangspunkt zum Wiedereinstieg in die Arbeitstätigkeit an einem entscheidenden Punkt verbessern.
Das AktivA-Training wurde durch Wissenschaftler/innen der TU Dresden wiederholt auf seine Wirksamkeit überprüft. Dabei wurden Paradigmen der Prozess- und der Ergebnisevaluation angewandt, um sowohl die Reaktionen der Teilnehmenden auf das Training als auch dessen nachhaltige Wirkung messen zu können.
Prozessevaluation
Für die Prozessevaluation wurden die Teilnehmenden nach jeder Interventionseinheit um die Einschätzung der Trainingsqualität gebeten. Gefragt wird u.a. nach der Zufriedenheit mit dem Verhalten des Trainers / der Trainerin und der Verständlichkeit der Trainingsinhalte.
Ergebnisevaluation
Von 2001 bis 2010 wurden 28 AktivA-Trainings bei 11 verschiedenen Beschäftigungsträgern wissenschaftlich begleitet. Das AktivA-Training war eingebettet in Maßnahmen mit einer Dauer von 6 bis 12 Monaten. An diesen AktivA-Trainings nahmen insgesamt 258 erwerbslose Personen teil.
Von 2001 bis 2010 wurden ebenfalls 20 freie AktivA-Trainings wissenschaftlich begleitet, die von Erwerbslosen wahrgenommen wurden, die nicht in Maßnahmen integriert waren. An den freien Trainings nahmen 184 Erwerbslose teil.
Um die Wirkung der AktivA-Trainings feststellen zu können, wurden erprobte und standardisierte Fragebögen eingesetzt, darunter
der Fragebogen für körperliche, soziale und psychische Symptome KÖPS ( Manz, 1998),
die Kurzform des General Health Questionaires GHQ-12 (Goldberg, 1972)
die Kurzform der Sense of Coherence Scale SOC-13 (Antonovsky, 1987)
die Skala irrationaler Grundüberzeugungen nach Ellis SIGE (Kurzbuch, 2000)
die Skala zur allgemeinen Selbstwirksamkeitserwartung SWE (Schwarzer & Jerusalem, 1993)
der Fragebogen zur Eigeninitiative PI (Frese, Fay, Hilburger, Leng & Tag, 1997)
der Fragebogen sozialer Verhaltensgewohnheiten FSV (Pfingsten, 2001) und
die Kurzform des Fragebogens zur sozialen Unterstützung SOZU-K-14 (Fydrich, Sommer & Brähler, 2000).
Die Evaluationen wurden im Versuchs-Kontrollgruppenplan mit Vorher-Nachher-Messung und Follow-up bis zu einem Jahr nach Trainingsbeginn durchgeführt und durch das Bundesministerium für Bildung und Forschung (BMBF) finanziert (Förderkennzeichen: 01EL0709).
Ergebnisse
Das AktivA-Training bewirkte im Trainingszeitraum von 2 bis 4 Wochen eine bedeutsame Verbesserung der psychischen und der körperlichen Gesundheit von Langzeiterwerbslosen. Auch 3 Monate nach Trainingsende bleiben die subjektiv wahrgenommen Beschwerden niedriger als vor dem Training. In einer Kontrollgruppe ohne Trainingsteilnahme hingegen blieben die Beschwerden über den gesamten Untersuchungszeitraum hinweg vergleichsweise stabil.
Unmittelbar nach dem AktivA-Training verringerten sich sowohl bei den freien Trainings als auch bei den in Maßnahmen eingebetteten Trainings die psychischen und körperlichen Beschwerden signifikant.
Um die positiven Effekte des AktivA-Trainings gezielt zu nutzen und langfristig aufrecht zu erhalten, empfiehlt sich eine Verknüpfung des AktivA-Trainings mit strukturellen Interventionen wie zum Beispiel einem erleichterten Zugang zu Sportvereinen, Beratungsdiensten und kulturellen Angeboten. Darüber hinaus besteht Bedarf an einer stärkeren Anerkennung und Wertschätzung von Langzeiterwerbslosen in den Medien sowie an Zugängen zu lern- und gesundheitsförderlichen Tätigkeiten jenseits des Erwerbsarbeitsmarktes.
Das AktivA-Training setzt an eben jenen Wirkmechanismen an. Die im Trainingsverlauf eingebrachten Bausteine Aktivitätenplanung, konstruktives Denken, soziale Kompetenz und soziale Unterstützungsetzen gleichermaßen an psychosozialen Faktoren wie an Faktoren des Verhaltens an. Somit werden Voraussetzungen geschaffen, ungünstigen Faktoren auf materieller und soziökonomischer Seite entgegenzuwirken. Auf diesem Wege kann es gelingen, Gesundheit und Aktivität der Teilnehmenden nachhaltig zu verbessern – und somit den Ausgangspunkt zum Wiedereinstieg in die Arbeitstätigkeit an einem entscheidenden Punkt verbessern.
Hollederer, A. (2003). The Health Status of the Unemployed in German Unemployment Statistics. IAB Topics, 54. Nürnberg: IAB.
Hollederer, A. (2010). Arbeitsmarktintegration und Gesundheitsförderung – Aktueller Stand und Perspektiven. Vortrag auf dem 3. Jahrestreffen im Bundesprogramm „Perspektive 50plus” am 9.6.2010 in Berlin.
Mackenbach, J. P. (2006). Health Inequalities: Europe in Profile. London: COI.
Paul, K., Hassel, A. & Moser, K. (2006). Die Auswirkungen von Arbeitslosigkeit auf die psychische Gesundheit: Befunde einer quantitativen Forschungsintegration. In: Hollederer, A. & Brand, H. (Hrsg.), (2005). Arbeitslosigkeit, Gesundheit und Krankheit (S. 35-51). Bern: Huber.
Rothländer, K. (2002). Gesundheitsförderung für langzeitarbeitslose Frauen im mittleren bis höheren Lebensalter. Konzeption, Durchführung und Evaluation eines kognitiv-behavioralen Trainings. Unveröffentlichte Diplomarbeit, Technische Universität Dresden.
Rothländer, K. (2007). AktivA - Aktive Bewältigung von Arbeitslosigkeit. Handbuch zum Gesundheitsförderungsprogramm. Unveröffentlichtes Manual, Technische Universität Dresden.
Flemming, D. (2012). Das AktivA-Training - Aktive Bewältigung von Arbeitslosigkeit. Vortrag auf der 3. NGA-Konferenz: Gesundheit fördert Beschäftigung, Wien, 21.06.
Mühlpfordt, S., Kalkbrenner, A. (2013). Praxisbeispiele für die Gesundheitsförderung von Arbeitlslosigkeit. AktivA - Aktive Bewältigung von Arbeitslosigkeit. Vortrag auf dem Gesundheitskongress Gesundheit und Arbeitslosigkeit, Ochtendung, 28.02. Link zum Vortrag
Mühlpfordt, S. & Kramer, J. (2009). „Gesundheitsförderung bei Arbeitslosen“ im Kontext der Gesundheitsziele in Sachsen. In A. Hollederer (Hrsg), Gesundheit von Arbeitslosen fördern! (S. 437-448). Frankfurt a.M.: Fachhochschulverlag.
Rothländer, K. und Richter, P. (2009). Gesund und mittendrin trotz Erwerbslosigkeit?! Ansätze zur Förderung der psycho-sozialen Gesundheit. Arbeitspapier No 6. Berlin: Friedrich-Ebert-Stiftung. Download unter: http://www.fes.de/integration/inhalt/fach.htm
Rothländer, K. (2009). Training psycho-sozialer Kompetenzen für Arbeitslose am Beispiel des Gesundheitsförderungsprogramms AktivA. In A. Hollederer (Hrsg), Gesundheit von Arbeitslosen fördern! (S. 155-167). Frankfurt a.M.: Fachhochschulverlag.
Raabe, A., Mühlpfordt, S. (2014). Das AktivA-Programm: Transfer und Nachhaltigkeit. Vortrag auf dem Public Health-Kongress "Armut und Gesundheit" , Berlin, 13.03. Link zum Vortrag
Raabe, A., Mühlpfordt, S.,(2014). Das AktivA-Programm: Transfer und Nachhaltigkeit. Beitrag zur Dokumentation zum 19. Kongress Armut und Gesundheit 2014 , Berlin, 13.03. Link zum Beitrag
Schulz, R. (2015). Das AktivA-Programm: Einsatz bei Perspektive 50plus. Vortrag auf dem Kongress "Sachsennetzwerk im Austausch" , Dresden, 15.06.
11 Thesen des Fachbeirats zum Sächsischen Gesundheitsziel "Gesundheitsförderung bei Arbeitslosen". Download