Agiles Arbeiten wird immer häufiger thematisiert und Projekte, die Organisationen agil machen sollen, schießen nur so aus dem Boden. Es scheint, als wäre es die einzige Möglichkeit, um der notwendigen Flexibilität in der Arbeitswelt gerecht zu werden. Doch in den meisten Fällen gibt es großen Widerstand, weil Beschäftigte dieses „Umdenken“ nicht nachvollziehen können oder es gar als schädlich für ihre eigene Arbeit erachten. So stellt sich immer wieder die Frage: Passt agiles Arbeiten zu uns? Und die Antwort ist jedem klar: Jain ! Neben der gewonnenen Flexibilität und damit auch Anpassungsfähigkeit, gehen nämlich häufig Stabilität und Sicherheit verloren.
Ich hatte neulich die Chance, die 3-tägige Workshopreihe „Herausforderungen anders angehen“ beim Jobcenter Peine durchzuführen. Ziel war es, neue Wege für die Bewältigung von Herausforderungen im alltäglichen Beratungskontext zu finden. Aber auch das stete Herantasten und Ausprobieren im Beratungsalltag sollte im Mittelpunkt stehen, sodass später gemeinsam individuelle Wege mit den Kundinnen und Kunden entwickelt werden können. In drei Workshop-Einheiten haben wir uns diesem Ziel genähert:
1. Workshoptermin: „Probleme verstehen“
Zunächst wurden Methoden zum Problemverständnis ausprobiert. Mit einem Routenplan wurden Abläufe auf den Punkt gebracht und kritische Momente reflektiert. Es wurden WKW-Fragen generiert („Wie können wir…“). Abschließend wurden noch Personas (Steckbriefe typischer Kundinnen und Kunden) entwickelt und diese ebenfalls durch den Routenplan geschleust. Auch hier wurden entscheidende Stellschrauben deutlich, die sich dann auch wieder in WKW-Fragen niederschlugen (z. B. „Wie können wir niedrigschwellig Kontakthalten?“; „Wie können wir das Problembewusstsein schärfen?“; „Wie können wir sicherstellen, dass wir alles richtig verstanden haben?“).
2. Workshoptermin: „Lösungen generieren“
Im nächsten Schritt wurden Lösungsansätze generiert. Dabei haben wir insbesondere auf Techniken wie die Kopfstandmethode, den Ansatz von Walt Disney (die Einnahme von drei verschiedenen Blickwinkeln: „Träumer“, „Realist“ und „Kritiker“) sowie eine angepasste Form der SCAMPER-Liste zurückgegriffen. Wichtig war dabei, dass am Ende des Tages alle Teilnehmenden für sich bereits erste kleine Ansätze benannt haben, die sie sofort im Alltag umsetzen können und wollen.
3. Workshoptermin: „Prototypen erstellen und präsentieren“
Die letzte Etappe bestand darin, für einzelne Ansätze Prototypen zu entwickeln. Der Begriff Prototyp beschränkt sich dabei nicht auf klassische Produkte, sondern auch Abläufe und Beratungsräume können als Prototyp „nachgebaut“ und ausprobiert werden. Dabei wird häufig deutlich, dass wir im Allgemeinen zu perfektionistisch sind, was Prototypen betrifft. Es geht lediglich darum, dass die Funktionsweise deutlich wird und nachempfunden werden kann – gleichzeitig aber auch ein späteres Verwerfen des Prototyps mit wenig „Herzschmerz“ verbunden ist.
Was steht am Ende?
Es gibt allgemeine Erkenntnisse und konkrete umsetzbare Ergebnisse: Die allgemeinen Erkenntnisse betreffen die Sensibilisierung für die Wirkung bestimmter Abläufe beim Jobcenter auf die Kundinnen und Kunden (z. B. an welchen Punkten ein Kontakthalten wichtig ist). Darüber hinaus wird eine Basis für die Umsetzung der anstehenden Veränderungen (z. B. „Bürgergeld“) geschaffen: Beschäftigte werden für die Mitwirkung an den Veränderungsprozessen sensibilisiert und es wird ein Bewusstsein für das Arbeiten mit Prototypen geschaffen (im Sinne „der erste Entwurf muss nicht perfekt sein – aber wir sollten alle Entwürfe kritisch reflektieren und für abgeleitete Maßnahmen offen sein“). Im Regelfall lassen sich darauf aufbauend auch gut interne Projekte anstoßen.
Auf der anderen Seite gibt es auch ganz konkrete Anstöße durch die entwickelten Prototypen, wie z. B. die freundlichere Gestaltung der Räumlichkeiten (im Rahmen der Möglichkeiten) oder Erklärvideos für Kundinnen und Kunden zur Orientierung im Jobcenter.
Mein persönliches Fazit: Die Arbeit mit den agilen Methoden ist selbstverständlich auch für Jobcenter geeignet und gerade im aktuellen Wandel eine große Hilfe. Aufgrund der Komplexität des SGB II und der großen Vision, doch jedem eine passende individuelle Beratung zukommen zu lassen, bedarf es der niedrigschwelligen Einbindung aller Beteiligten bei der Gestaltung der Arbeitsprozesse. Eine wichtige Voraussetzung ist jedoch auch, die notwendige Offenheit mitzubringen, diese Themen anzusprechen und zu bearbeiten. Ebenso ist die Offenheit seitens der Leitung wichtig, damit die entwickelten Ideen auch nachher den Sprung in die Arbeitsrealität schaffen. Dafür nochmals ein großes Dankeschön an das Jobcenter Peine und alle Mitwirkenden.
Falls Sie ebenfalls überlegen, wie Sie anstehende Veränderungen am besten in Ihrer Organisation umsetzen oder agiles Denken anstoßen, melden Sie sich gern bei mir: Roland Schulz (schulz@wissensimpuls.de; Telefon: +49 351 274991-51).