Natürlich sind Frauen auch gemeint…

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„Natürlich sind Frauen auch gemeint…“ war oftmals der erste Gedanke, wenn ich mit dem Thema „Gendern“ konfrontiert wurde. Besonders präsent ist mir noch eine Situation vor vielen Jahren in Österreich bei einer AktivA-Trainerausbildung: Wir waren gerade bei der Verantwortungsverhandlung und haben herausgearbeitet, was meine Verantwortung als Trainer ist und was die Verantwortung der Teilnehmer ist. Also schrieb ich auf die Moderationskarten „Trainer“ und „Teilnehmer“. Und schon meldete sich eine Teilnehmerin, schaute mich herausfordernd an und sagte: „Wir sind Teilnehmerinnen!“ Ich blickte irritiert zurück und verwies auf einen Mann in der Runde – ein ziemlich schwaches Argument, wie ich feststellen musste, denn sie rechnete mir in Ruhe vor, dass es über zehn Frauen wären und lediglich ein Mann. Also kamen weitere Argumente von mir: „Das ist nur zur Veranschaulichung. Da ist nicht genug Platz auf der Moderationskarte. Es heißt ja auch ‚AktivA-Trainerausbildung‘ und dennoch sind Frauen gemeint.“ Es half alles nichts. Selbst die Darstellung meines Aufwachsens verbunden mit der Tatsache, dass es bei uns zu Hause keine geschlechtsspezifische Rollenverteilung gab (mein Vater war daheim, kochte für mich mittags und meine Mutter kam abends von der Arbeit), änderte nichts an der Diskussion. Auch weiteres Argumentieren über meine Haltung, meine persönlichen Aufgabenteilung in meiner aktuellen Beziehung („Aber ich putze doch genauso zu Hause!“) änderten nichts. Sie schien nicht zu verstehen, dass ich kein Frauenfeind bin – oder wollte aus irgendeinem anderen Grund mit dieser Diskussion das Seminar sabotieren. Es war für mich nicht nachvollziehbar, weil für mich persönlich klar war: Gleichberechtigung ist keine Frage der Wortwahl.

Nun hatte ich vor einigen Wochen das Glück, dass eine Teilnehmerin mir wieder ein ähnliches Feedback gab. Mittlerweile konnte ich meine Schwierigkeiten bei dem Thema jedoch genauer benennen und fühlte mich nicht gleich angegriffen. Stattdessen war es Neugierde und so spielte ich den Ball zurück und benannte meine Befürchtungen: „Ich habe das Gefühl, dass alle einfachen Lösungen sprachlich unsauber sind (Sternchen, Binnen-I etc.) und die Umstellung auf neutrale Ausdrücke (z.B. Seminarleitung) ist nicht für alle Begriffe so einfach für mich.“ Bereits kurze Zeit später bekam ich von dieser Teilnehmerin eine Rückmeldung im E-Mail-Postfach mit einer spannenden Anregung: BdKom veröffentlicht Kompendium zum fairen Formulieren und stellt eigene Sprachpraxis um.

Auf dieser Seite verbirgt sich auch das Kompendium gendersensible Sprache (bdkom.de), was mir den Zugang zu dem Thema deutlich erleichterte. Hier finden sich viele verschiedene Ansätze, um gender-sensibel als auch sprachlich sauber zu formulieren und zu schreiben: Partizipien, geschlechtsneutrale Ausdrücke, aber auch Alternativen wie die direkte Anrede oder der Einsatz von Adjektiven bieten mir zukünftig ein breiteres Spektrum. So findet sich heute auf meinen Moderationskarten meist das Wörtchen „Teilnehmende“ – der „Trainer“ bin ich ja geblieben. Kombiniert mit der Einsicht, dass der Wunsch nach gendersensibler Sprache kein persönlicher Angriff ist (so wie ich es für mich damals fehlinterpretierte), und gewürzt mit etwas Neugierde, kann daraus sicher die eine oder andere spannende sprachliche Entwicklung angestoßen werden.

In diesem Sinne: Viel Spaß auf dem (weiteren?) Weg zur gendersensiblen Sprache! Demnächst vielleicht sogar „queer-gedacht“, denn gendersensible Sprache umfasst natürlich mehr.

 

Von Roland Schulz

2021-05-22
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