Ich liebe Kontrolle – oder zumindest das Kontrollerleben. Und gerade bei größeren Veranstaltungen glaube ich häufig, dass Kontrolle sehr wichtig ist. Immerhin gibt es viele potenzielle „Fehlerstellen“ – viele Dinge, die schieflaufen können. Zudem macht es Sinn, dass eine gewisse „Ordnung“ existiert, damit alles passt. Und mal ganz ehrlich: Ist es nicht ein schönes Gefühl zu glauben, dass man mit 99%iger Wahrscheinlichkeit einer Gruppe von Menschen etwas Gutes tun wird? Das geht doch nur mit Planung und Kontrolle…
Nun hatte ich die Möglichkeit, am 11. und 12. Februar 2021 an einem BarCamp teilzunehmen, den „IAG-Online-Learning-Tagen 2021“. Was steckt dahinter? Bei einem BarCamp gibt es keine festgelegte Agenda. Alle Teilnehmenden können die Themen, die sie aktuell beschäftigen, einbringen und mit den anderen diskutieren. Das können jeweils eigene Ideen oder Methoden sein – eventuell aber auch nur Fragestellungen, mit denen man sich konfrontiert sieht und zu denen man gern ein paar neue Eindrücke gewinnen würde. Die Einheiten werden bewusst kurzgehalten: 30 – 45 Minuten müssen reichen. Danach ist Schluss.
Und funktioniert das wirklich? Ja! Ich hätte vorher ganz klar „Nein“ gesagt, aber ich durfte mich eines Besseren belehren lassen. Obwohl im Vorfeld lediglich ein Zeitraster vorgegeben wurde, kamen rund 40 Sessions zustande. Die Technik wurde von jedem Session-Verantwortlichen selbst bereitgestellt (virtuelle Räume). Die Agenda wurde im Rahmen eines vorstrukturierten Google Docs veröffentlicht. Diese wurde nicht vorgegeben, sondern von Hunderten Teilnehmenden selbständig mit Leben gefüllt: Themen und Inhalte zu den einzelnen Sessions von den jeweils Verantwortlichen und Ergebnisse von den Teilnehmenden selbst. Lediglich die Grundstruktur im Agenda-Dokument wurde gestellt – danach wurde alles anonym bearbeitet. Für mich vorher undenkbar.
Ich habe mit meinem Kollegen Robert Gründler auch einen Beitrag zum Thema „Kulturveränderungen digital anstoßen – idealistische Seifenblase oder ein Thema zum Anpacken?“ initiiert. Für mich dabei ganz spannend: Nein, ich muss im Vorfeld nicht alles genau durchtakten, sondern ich kann mich mit relativ wenig Vorbereitungsaufwand darauf einlassen. Lediglich die technische Basis (in unserem Fall Microsoft Teams und miro) sollten stehen, ergänzt um einen kleinen Aufhänger (z. B. einem Beispiel aus der eigenen Praxis).
Für mich unterstreicht das BarCamp damit eine Entwicklung, die ich auch im Bereich Schulungen immer stärker wahrnehme und die auch für das Coaching grundlegend ist: Nicht das Wissen des Trainers/Beraters/Coaches steht im Zentrum, sondern das Wissen der Teilnehmenden.
Von Roland Schulz